Frau P. schildert mir lebhaft, dass es seit vielen Jahren Spannungen in der Partnerschaft gäbe. Während sie um eine Klärung der strittigen Punkte bemüht sei, ziehe sich ihr Mann immer mehr zurück. Vor zwei Jahren habe sie ihren Mann dazu bewegt, eine Paartherapie zu machen, die er jedoch nach dem zweiten Termin abgebrochen habe, weil er sich vom Eheberater verhört fühlte. Danach habe sich die Situation weiter zugespitzt. So könne sie nicht weiter machen, sie habe bereits mehrfach daran gedacht, sich von ihrem Mann zu trennen.
Herr P. kann die „Hysterie“ seiner Fau nicht verstehen. Im Grunde genommen führten sie eine harmonische Ehe, gelegentliche Spannungen seien normal. Der Paartherapeut habe alles dramatisiert, das habe ihm nicht gefallen.
Ich frage Herrn P., ob seine Frau Probleme/Konflikte gelegentlich dramatisiere, was er ohne Umschweife bejaht. Nun frage ich Frau P., ob ihr Mann dazu neige, Probleme unter den Teppich zu kehren. Auch sie bejaht dies.
Ich äußere die Vermutung, dass sich beide Tendenzen gegenseitig verstärken. Je mehr Frau P. dramatisiere, desto mehr versuche ihr Mann, „den Ball flach zu halten“ und je mehr er bagatellisiere, desto mehr versuche sie, ihre Unzufriedenheit zu artikulieren.
Beide stimmen zu.
Nachdem wir geklärt haben, dass jeder für sein Verhalten gute Gründe hat, frage ich beiden, was wohl passieren würde, wenn sie etwas weniger dramatisieren bzw. bagatellisieren würden.
In den folgenden Sitzungen übernehmen beide jeweils die Verhaltenstendenz ihres Partners. Dabei stellen sie fest, dass Konflikte besprechbar werden und sich lösen lassen. Nach 5 Beratungsterminen wirkt Frau P. weniger offensiv und ihr Ehemann zieht sich nicht mehr zurück.
Da das Miteinander wieder Spaß macht, haben sie einen romantischen Kurzurlaub geplant.